Foto in Vergrößerungsansicht öffnen: Eine Buchseite mit dem oval gefassten Porträt des Dichters Langbein, gezeichnet von Johann Friedrich Bolt um 1805.
August Friedrich Ernst Langbein Museum Schloss Klippenstein

August Friedrich Ernst Langbein – ein Radeberger Literat

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„Langbein, August, Friedrich, Ernst, Schriftsteller, * Radeberg 6.9.1757, + Berlin 2.1. 1835; wurde 1786 Archivkanzlist in Dresden, 1820 Bücherzensor in Berlin. L. schrieb viel gelesene, v. a. humorvolle, auf Unterhaltung und Amüsement gerichtete Romane, Lustspiele, Erzählungen und Gedichte.“

Mit diesen wenigen Zeilen kommt die Brockhaus Ausgabe von 1989 aus. In der Internet-Enzyklopädie Wikipedia erscheint der Dichter aus Radeberg gar erst im Mai 2006. Hier wird in einer siebenzeiligen Biografie auch erwähnt, was heute noch bemerkenswert erscheint: ab 1820 in Berlin als Zensor für schönwissenschaftliche Schriften tätig „strich er seine eigenen Werke aus den Katalogen der Leihbibliotheken“.

Wer war dieser zu seiner Zeit häufig gelesene Dichter, dessen Lebensweg in Radeberg begann? Eine Gedenktafel am Schloss Klippenstein, in der Geißlerschen Eisengießerei hergestellt und 1868 zunächst über dem Eingangsportal des Schlosses angebracht, erinnert an ihn.

Die Kindheit und der Siebenjährige Krieg

Als August Friedrich Ernst Langbein als ältestes von 15 Kindern am 6. September 1757 geboren wurde, war sein Vater seit vier Jahren Amtmann im Radeberger Schloss Klippenstein. Am 22. Juli 1756 heiratete der 1733 geborene Ernst Ludwig Langbein Erdmuthe Charlotta Michael, die Tochter eines Accisinspektors aus Stolpen. Der junge Familienvater trat in die Fußstapfen seines Vaters, Johann Balthasar Langbein, Großvater unseres Dichters, der von 1733 bis 1753 Amtmann in Radeberg gewesen war. Ernst Ludwig Langbein, seit 1787 Justizamtmann, übte sein Amt bis in sein 92. Lebensjahr aus. Am 18. März 1806 feierte er „unter freudiger Anteilnahme der Radeberger“ sein 50 jähriges Amtsjubiläum. Der Justizamtmann Ernst Ludwig Langbein starb 1824 in Radeberg.

Die Zeit, in die August Friedrich Ernst Langbein hineingeboren wird, ist alles andere als friedlich. Mit dem Einmarsch Preußens in das schlecht gerüstete Sachsen beginnt 1756 der Siebenjährige Krieg. Nach der Kapitulation der sächsischen Truppen im Oktober des gleichen Jahres kommt das Land unter preußische Verwaltung. Österreichische und preußische Truppen sind im Land, sie müssen mit Nahrung und Fourage versorgt werden.
Oft wechseln die in der Stadt stationierten Truppen, die alle kostenlos verpflegt und untergebracht werden müssen.

Im September 1758 wird die Familie zunächst von österreichischen Truppen drangsaliert. Wenige Tage später, am 14. September 1758, rückt ein 10 000 Mann starkes preußisches Corps in Radeberg ein. „War die Noth und das Elend vorhero groß gewesen, so wurde es doch noch von Stund an größer, ja es wuchs augenblicklich… „ schreibt ein unbekannter Chronist. Generalmajor Anchinelli quartiert sich im Schloss ein, die Familie Langbein muss drei Zimmer räumen und die „Gäste“ allesamt verpflegen. Unmittelbar nach Anchinelli nimmt Herzog Friedrich Eugen von Württemberg Quartier im Schloss. Der Amtmann Langbein wird mit Weib, Kleinkind und Gesinde zwei Tage in eine unausgebaute Bodenkammer vertrieben. Da es im Schloss nur eine Küche gibt und diese vom Herzog genutzt wird, muss das Essen aus dem städtischen Gasthaus geholt werden.

Im Frieden

1763 beendet der Hubertusburger Frieden den Siebenjährigen Krieg.  An der Seite seines Vaters sieht August Friedrich Ernst Langbein den preußischen König Friedrich den Großen, vom Amtmann feierlich begrüßt, durch Radeberg fahren. Das Leben der stetig wachsenden Familie wird leichter. Der junge Langbein erlebt das Wiederaufblühen des städtischen Lebens nach Beendigung des Krieges, den Wiederaufbau von Brücken und des nach dem Stadtbrand von 1741 noch in Trümmern liegenden Rathauses.

Der Vater, Amtmann Langbein, lässt in den Folgejahren „bei dem Hundestall“ auf der anderen Röderseite, dem Schloss genau gegenüber, einen barocken Lustgarten mit Grotte, Lauben und Statuen anlegen. Der Name deutet auf die vormals hier befindliche Jägerwohnung und die Hundezwinger hin. Der Garten ist in Resten noch heute erhalten. Über seine Familie schreibt August Friedrich Ernst später: „Es konnte nicht leicht eine prosaischere Familie geben als die meinige. Alles ging den stillen, ruhigen Geschäftsgang, und man hörte von nichts als Prozessen, wirtschaftlichen Angelegenheiten und unbedeutenden Stadtgeschichten sprechen.“

Die Beamtenfamilie hatte gute Kontakte in die Stadt. Dr. Wagner, der Hausarzt, war täglich zu Gast, häufig auch Magister Thorschmidt, der Oberpfarrer von Radeberg. Frau Wonne, Gattin des städtischen Tanzmeisters, erteilte französischen Unterricht. Das „Silberstübchen“, links neben dem Portal, wurde von August Friedrich Ernst und seinem Hauslehrer Gläser bewohnt. Dieser unterrichtete den Jungen in Schreiben, Latein und Geografie. Der täglich gleiche  Spazierweg wird von den Kindern der Familie Langbein „Gläsergang“ genannt.

Gleich neben dem Schloss entdeckt 1768 der Besitzer der Schlossmühle, Johann Christoph Senf, ein altes Grabgewölbe. Es soll mehrere Urnen, eiserne Waffenreste und Münzen aus der römischen Kaiserzeit enthalten haben. Carl Benjamin Preusker beschreibt einige dieser Stücke noch 1828. Für die Nachbarsfamilie Langbein sicher ein spannender Vorgang, der wohl Inhalt vieler Gespräche war.

Schon längst dient Klippenstein nicht mehr den kurfürstlichen oder königlichen Jagden und Festlichkeiten, sondern wird zur Verwaltung des Amtes Radeberg genutzt.
Im Jahr 1771 beginnt unter Leitung des Amtmannes Langbein ein großer Umbau. Nachdem schon 1715 der Bergfried wegen Baufälligkeit abgetragen wurde, muss nun das obere Stockwerk des Südflügels komplett erneuert werden. Abgebrochen werden die Renaissance-Giebel und Zwerchhäuser und das Dach wird erneuert. Im Innenhof entstehen eine neue Treppe und ein Gang vor dem Gebäude, welcher das obere Stockwerk erschließt.
Schon 1772 sind die umfangreichen Arbeiten abgeschlossen und im Schloss zieht wieder ein geordneter Tagesablauf ein. August Friedrich Ernst Langbein jedoch erlebt das nur noch aus der Ferne.


Die Jugend und das Frühwerk

Als Langbein 1772 fünfzehnjährig auf die Fürstenschule Sankt Afra in Meißen kommt, ist seine Kindheit vorbei. Bis 1777 besucht er diese Eliteschule, die ihn auf eine Beamtenlaufbahn in der Tradition seiner Familie vorbereiten soll. Er schließt sie mit Auszeichnung ab und darf das Abgangsgedicht verfassen.

Bereits als Zwölfjähriger schrieb August Friedrich Ernst Langbein eigene Verse. Die Erzählung „Die Gefangenen“ im Band 31 seiner gesammelten Werke enthält eine Naturbeschreibung, die an seine Kindheit erinnert: "Eine Meile von dem Dorfe,...., wohnte der Amtmann Siegfried auf einem altertümliche Schlosse, das von einer felsigen Höhe herab auf das nahe Städtchen überblickte. Des Schlosses Umgebungen waren anmutig. Links erhob sich ein hoher, mit Bäumen und Getreide bewachsener Berg; vorn rieselte ein Bach die Ringmauer des Schlosses entlang und am Fuße des Berges vorbei; jenseits des Baches, im Angesicht des Schlosses, blühte ein großer, wie ein Amphitheater sich erhebender Lustgarten..."

Langbein beginnt 1777 in Leipzig Jura zu studieren. Hier, in der weltoffenen Stadt, kommt er mit den Gedanken von Schiller, Goethe, Schlegel und Lessing in Berührung.
Schon während seiner Schulzeit und auch in den vier Jahren, in welchen er studieren wird, verfasst er zahlreiche Verse, Gedichte und Romane. Drei Jahre nach Beginn seines Studiums wird in der Zeitschrift „Poetische Blumenlese für das Jahr 1780“ sein erster Text veröffentlicht. 1781 beendet er erfolgreich sein Studium und findet als Vize-Aktuarius (lateinisch actuarius = „Schnellschreiber“) in Großenhain eine Anstellung. Er erkennt, dass er keine Beförderung zu erwarten hat und kündigt. In der elterlichen Wohnung im Schloss Klippenstein bezieht er kurz Quartier und zieht wenig später nach Dresden.

Hier ist er als selbstständiger Advokat tätig. Nach zweijähriger Tätigkeit als Selbstständiger und permanenter wirtschaftlicher Not nimmt er wieder eine Anstellung an. Er ist jetzt Kanzlist im Geheimen Archiv Dresden. Die Tätigkeit, die er 14 Jahre lang ausüben wird, füllt ihn nicht aus. Seine wirtschaftliche Lage ändert sich nicht entscheidend.
1788, 1790 und 1798 kann er auf zahlreiche Veröffentlichungen verweisen; so „Zwey Lustspiele“ (1788), „Gedichte“ (1788), Texte im „Göttinger Musen-Almanach“ (1790) und „Balllieder“(1798). Diese Veröffentlichungen bringen ihm eine gewisse Anerkennung und bessern seine Finanzen auf.

Berliner Jahre

Im Jahr 1800 vollzieht Langbein eine Zäsur. Er ist 43 Jahre alt und heiratet Johanna Eleonore Reichel, die Tochter eines Lohgerbermeisters aus Tharandt. Er geht nach Berlin, um dort als freier Literat zu leben.
Der Vater Ernst Ludwig Langbein verstößt nach diesem Bruch den „ungeratenen Sohn“. Er hatte für ihn die Laufbahn eines Amtmannes (im Amt Radeberg) vorgesehen und lässt nun mit diesem Verstoß dem schon lange in ihm schwelenden Groll freien Lauf. In Berlin geht es Langbein nicht besser. Er hat die gleichen Probleme wie in Dresden. Von seiner dichterischen Tätigkeit kann er die Ausgaben nicht decken. Eine Anstellung ist nicht in Sicht. So leben er und seine Frau bis 1820 in Armut und sind auf Geldgeschenke angewiesen.
Langbein schreibt in diesen Jahren zahlreiche Briefe an seine Eltern. Doch der Vater bleibt hart. Erst nach dem Tod der Mutter reagiert er auf die Flehbriefe des Sohnes und nimmt den Kontakt mit ihm wieder auf.

1820 gelingt es August Friedrich Ernst Langbein, wieder in Anstellung zu kommen. Er tritt in preußische Staatsdienste in der Funktion eines „Zensors für schöngeistige Literatur“.  Langbein arbeitete 15 Jahre im Amt eines Zensors und „strich seine eigenen Werke aus den Katalogen der Leihbibliotheken“.  Am 2. Januar 1835 stirbt er in ärmlichen Verhältnissen. August Friedrich Ernst Langbein ist auf dem Dorotheenstädter Friedhof in Berlin begraben. Freunde finanzieren ihm nach seinem Tod einen schlichten Grabstein.

Unmittelbar vor dem Schloss, zwischen Schlossteich und altem Stadtkern, erstreckt sich seit 1901 die Langbein-Straße, welche nach dem Radeberger Literaten, der seine Kindheit im Schloss verbrachte, sowie „seines nicht minder unvergesslichen Vaters“, benannt ist.


Katja Altmann