von Katja Altmann
„Langbein, August, Friedrich, Ernst, Schriftsteller, * Radeberg 6.9.1757, + Berlin 2.1. 1835; wurde 1786 Archivkanzlist in Dresden, 1820 Bücherzensor in Berlin. L. schrieb viel gelesene, v. a. humorvolle, auf Unterhaltung und Amüsement gerichtete Romane, Lustspiele, Erzählungen und Gedichte.“
Mit diesen wenigen Zeilen kommt die 24bändige Brockhaus Ausgabe von 1990 aus. In der Internet-Enzyklopädie Wikipedia erscheint der Dichter aus Radeberg gar erstmals im Mai 2006. Hier wird in einer siebenzeiligen Biografie auch erwähnt, was heute noch bemerkenswert erscheint: ab 1820 in Berlin als Zensor für schönwissenschaftliche Schriften tätig „strich er seine eigenen Werke aus den Katalogen der Leihbibliotheken“.
Wer war dieser zu seiner Zeit häufig gelesener Dichter, dessen Lebensweg in Radeberg begann? Eine Gedenktafel am Schloss Klippenstein, in der Geißlerschen Eisengießerei hergestellt und 1868 zunächst über dem Eingangsportal des Schlosses angebracht, erinnert an ihn.
Als August Friedrich Ernst Langbein als ältestes von 15 Kindern am 6. September 1757 geboren wurde, war sein Vater seit vier Jahren Amtmann im Radeberger Schloss Klippenstein. Am 22. Juli 1756 hatte der 1733 geboren Ernst Ludwig Langbein Erdmuthe Charlotta Michael, die Tochter eines Accisinspektors aus Stolpen, geheiratet. Der Familienvater trat in die Fußstapfen seines Vaters, Großvater unseres Dichters, Johann Balthasar Langbein, der von 1733 bis 1753 Amtmann in Radeberg gewesen war. Ernst Ludwig Langbein, seit 1787 Justizamtmann, übte sein Amt bis in sein 92. Lebensjahr aus. Am 18. März 1806 beging er sein 50jähriges Amtsjubiläum. 1824 starb er in Radeberg.
Die Zeit, in die August Friedrich Ernst Langbein hineingeboren wird, ist alles andere als friedlich. Österreichische und preußische Truppen sind im Land, sie müssen mit Nahrung und Fourage versorgt werden. Im September 1758 wird die Familie zunächst von österreichischen Truppen drangsaliert. Wenige Tage später, am 14. September 1758, rückt ein 10 000 Mann starkes preußisches Corps in Radeberg ein. Generalmajor Anchinelli quartiert sich im Schloss ein, die Familie Langbein muß 3 Zimmer räumen und die „Gäste“ allesamt verpflegen. Unmittelbar nach Anchinelli nimmt Herzog Friedrich Eugen von Württemberg Quartier im Schloss. Langbeins müssen mit Weib, Kind und Gesinde 2 Tage in einer unausgebauten Bodenkammer hausen.
1763 beendet der Hubertusburger Frieden den Siebenjährigen Krieg. Der Amtmann Langbein lässt auf der anderen Röderseite, dem Schloss gegenüber, einen barocken Lustgarten mit Grotte, Lauben und Statuen anlege. Er ist in Resten noch heute erhalten. Über seine Familie schreibt August Friedrich Ernst später: „Es konnte nicht leicht eine prosaischere Familie geben als die meinige. Alles ging den stillen, ruhigen Geschäftsgang, und man hörte von nichts als Prozessen, wirtschaftlichen Angelegenheiten und unbedeutenden Stadtgeschichten sprechen.“ Die Beamtenfamilie hatte gute Kontakte in die Stadt. Dr. Wagner, der Hausarzt, war täglich zu Gast, häufig Magister Thorschmidt, der Oberpfarrer von Radeberg. Frau Wonne, Gattin des städtischen Tanzmeisters, erteilte französischen Unterricht. Das „Silberstübchen“, links neben dem Portal, wurde von August Friedrich Ernst und seinem Hauslehrer Gläser bewohnt. Dieser unterrichtet den Jungen in Schreiben, Latein und Geografie. Der täglich gleiche Spazierweg wird von den Langbeinkindern „Gläsergang“ genannt. Der junge Langbein erlebt das Wiederaufblühen des städtischen Lebens nach Beendigung des Krieges, den Wiederaufbau des Rathauses, die Entdeckung des Radeberger Grabgewölbes durch den Besitzer der Schlossmühle, Johann Christoph Senf und die Instandsetzung des Schlosses ab 1771.
Bereits als zwölfjähriger schrieb August Friedrich Ernst Langbein eigene Verse. Die Erzählung „Die Gefangenen“ im Band 31 seiner gesammelten Werke enthält eine Naturbeschreibung, die an seine Kindheit erinnert: Eine Meile von dem Dorfe,...., wohnte der Amtmann Siegfried auf einem altertümliche Schlosse, das von einer felsigen Höhe herab auf das nahe Städtchen überblickte. Des Schlosses Umgebungen waren anmutig. Links erhob sich ein hoher, mit Bäumen und Getreide bewachsener Berg; vorn rieselte ein Bach die Ringmauer des Schlosses entlang und am Fuße des Berges vorbei; jenseits des Baches, im Angesicht des Schlosses, blühte ein großer, wie ein Amphitheater sich erhebender Lustgarten...
Als Langbein 1772 fünfzehnjährig auf die Fürstenschule Sankt Afra in Meißen kommt, ist seine Kindheit vorbei. Bis 1777 besucht er diese Eliteschule, die ihn auf eine Beamtenlaufbahn in der Tradition seiner Familie vorbereiten soll. Er schließt sie mit Auszeichnung ab und verfasst das Abgangsgedicht.
Langbein beginnt 1777 in Leipzig Jura zu studieren. Hier, in der weltoffenen Stadt kommt er mit den Gedanken von Schiller, Goethe, Schlegel und Lessing in Berührung.
Schon während seiner Schulzeit und auch in den vier Jahren, in welchen er studieren wird, verfasst er zahlreiche Verse, Gedichte und Romane. Drei Jahre nach Beginn seines Studiums wird in der Zeitschrift „Poetische Blumenlese für das Jahr 1780“ sein erster Text veröffentlicht. Die Veröffentlichung in Almanachen war ein verbreitetes Mittel, bisher unveröffentlichte Texte zu publizieren.
1781 beendet er erfolgreich sein Studium und findet als Vize-Aktuarius (lateinisch actuarius = „Schnellschreiber“) in Großenhain eine Anstellung. Er erkennt, dass er keine Beförderung zu erwarten hat und kündigt. In der elterlichen Wohnung im Schloss Klippenstein bezieht er kurz Quartier und zieht wenig später nach Dresden. Hier ist er als selbstständiger Advokat tätig. Nach zweijähriger Tätigkeit als Selbstständiger und permanenter wirtschaftlicher Not nimmt er wieder eine Anstellung an. Er ist jetzt Kanzlist im Geheimen Archiv Dresden.
1788, 1790 und 1798 kann er auf zahlreiche Veröffentlichungen verweisen; so „Zwey Lustspiele“(1788), „Gedichte“(1788), Texte im „Göttinger Musen-Almanach“(1790) und „Balllieder“(1798).
Die Tätigkeit im Geheimen Archiv, die er 14 Jahre ausüben wird, füllt ihn nicht aus. Seine wirt-schaftliche Lage ändert sich nicht entscheidend. Er ist weder inhaltlich noch wirtschaftlich mit seiner Situation zufrieden. Die Veröffentlichungen bringen ihm eine gewisse Anerkennung und bessern seine Finanzen nicht unentscheidend auf.
Im Jahr 1800 vollzieht Langbein eine Zäsur. Er ist 43 Jahre alt und heiratet Johanna Eleonore Reichel, die Tochter eines Lohgerbermeisters aus Tharandt. Er geht nach Berlin um als freier Literat zu leben. Der Vater verstößt nach diesem Bruch den „ungeratenen Sohn“. Er hatte für ihn die Laufbahn eines Amtmannes (im Amt Radeberg) vorgesehen und lässt mit diesem Verstoß den schon lange in ihm schwelenden Groll freien Lauf. In Berlin geht es Langbein nicht besser. Er hat die gleichen Probleme wie in Dresden. Von seiner dichterischen Tätigkeit kann er die Ausgaben nicht decken. Eine Anstellung ist nicht in Sicht. So leben er und seine Frau bis 1820 in Armut und sind auf Geldgeschenke angewiesen.
Langbein hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Briefe an seine Eltern verfasst. Doch der Vater blieb hart. Erst nach dem Tod der Mutter reagiert er auf die Flehbriefe des Sohnes und nimmt den Kontakt mit ihm wieder auf.
1820 gelingt es August Friedrich Ernst Langbein, wieder in Anstellung zu kommen. Er tritt in preußische Staatsdienste in der Funktion eines „Zensors für schöngeistige Literatur“. Langbein arbeitete 15 Jahre im Amt eines Zensors und „strich seine eigenen Werke aus den Katalogen der Leihbibliotheken“ .
Am 2.Januar 1835 stirbt er in ärmlichen Verhältnissen. August Friedrich Ernst Langbein ist auf dem Dorotheenstädter Friedhof in Berlin begraben. Freunde finanzierten ihm nach seinem Tot einen schlichten Grabstein.
Obwohl er von seiner Arbeit als Schriftsteller nicht leben konnte, war August Friedrich Ernst Langbein einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. 1835-37 erschienen seine sämtlichen Werke in 31 Bänden. Zeitgenossen Langbeins schwärmten von seinem literarischen Werk und sagten ihm „Unsterblichkeit“ voraus. Er wurde als einer der „Hauptsterne des literarischen Firmaments“ des literarischen Lebens von Dresden bezeichnet.
Viele seiner Erzählungen, Lustspiele, Schwänke und Fabeln sind heute vergessen. Seine komische Geschichte “die Fledermaus“ soll als Vorlage für die Strauß Operette gedient haben. Viele seiner Texte schwärmen von der „guten alten Zeit“. Den Geist der Aufklärung oder die Ideale der französischen Revolution findet man in seinen Werken nicht.
Hartwig Jess charakterisiert A.F.E. Langbein in seiner Dissertation, Leipzig 1902, als typischer „Bourgeois des 18. Jahrhunderts. Ein „Biedermann ohne Genialität und freies Menschentum, aber gutem Herzen und tüchtiger Gesinnung.“ .
Sein begrenzter Ruhm begann nach seinem Tot in kurzer Zeit verblasste und verschwand bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fast völlig. Teilweise wurde er in Literatur-Sammelbänden des 19. Jahrhunderts gedruckt, in denen des 20. Jahrhunderts schon kaum mehr. Im 21. Jahrhundert findet man seine Werke nur noch bei Liebhabern der Literatur des frühen 19. Jahrhunderts und in größeren Bibliotheken, die einen Literatur spezifischen Sammelauftrag haben.
Publikationen über A. F. E. Langbein:
- Hartwig Jess: A.F.E. Langbein und seine Verserzählungen, Dissertation an der philosophischen Fakultät Leipzig, in Auszügen erschienen: unter o.g. Titel, Verlag von Alexander Duncker, Berlin 1902, komplett (181 S.) erschienen: (?)-Reprograph, Duncker, München 1977
- Friedrich Wilhelm Goedicke (Hrsg.): A.F.E. Langbeins sämtliche Schriften mit einer Lebensgeschichte, 1841 (SLUB)
- Wolfgang Spindler: A.F.E. Langbein ein Textdichter Albert Gottlieb Methfessels, ein Aufsatz in: Rudolstätter Heimathefte (Rudolstädter Kulturreferat) Bd. 50 (2004) Seiten 265-267, ISSN 04485-5884 (Staatsbiblioth.Preuß.Kulturbesitz, Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, Unib. Erfurt, Bayer.Staatsbibliothek München, Herzogin Anna Amalia B. Weimar)
- Mariou Beaujeau (Hrsg.): Liebe, Tugend und Verbrechen, Unterhaltungsliteratur des 18. Jh., ISBN 3-538-06605-1, Winkler, München 1987 (FU Berlin)
- Weiss/Wonneberger: Dichterhäuser um Dresden, Bebra-Verlag, Berlin 2004
- „Aus der Heimat“ in Radeberger Zeitung 1927, Nummer 11 S. 42/43
- Störzner, Siegfried: Ein berühmter Rödertaler als Dichter und Zensor der schönen Literatur in: „Unsere Heimat“ Sonntags-Beilagen zum Sächsischen Erzähler. Nr. 1, 1935
Zitate über A. F. E. Langbein:
- „Von allen studentischen Vergnügen und Übergriffen hielt er sich fern.“ Jess 1902
- „Die große Menge will das Neue, daneben aber mag sie das herkömmliche Alte nicht entbehren. Langbein konnte sich aus dem reichen Vielerei das ihm zusagende aussuchen.“ Jess
- „Ohne Langbein Talent für die erzählende Poesie im Mindesten herabsetzen zu wollen, kann der Rezensent nicht umhin, zu bemerken, dass ihm der größte Teil dieser Erzählungen eigentlich nicht unter die benannten Gattungen zu gehören scheint. … Langbeins Erzählungen sind zwar lyrisch durch das Äußere, das Silbenmaß nämlich, weniger aber durch den Gang und die innere Beschaffenheit der Darstellung, welches doch das Haupterfordernis ist. Noch weit fehlt ihnen der populistische Ton.“ August W. von Schlegel 1788
Quellen:
- A. Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, 19. Auflage, Mannheim 1990
- Hartwig Jess: A.F.E. Langbein und seine Verserzählungen, Dissertation an der philosophischen Fakultät Leipzig, in Auszügen bei Verlag von Alexander Duncker, Berlin 1902
- Friedrich Wilhelm Goedicke (Hrsg.): A.F.E. Langbeins sämtliche Schriften mit einer Lebensgeschichte, Hildburghausen 1841
- Archiv und Bibliothek Schloss Klippenstein, Radeberg
- http://gutenberg.spiegel.de/autoren/langbein.htm
- http://de.wikipedia.org/wiki/August_Friedrich_Langbein
- Weiss/Wonneberger: Dichterhäuser um Dresden, Bebra-Verlag, Berlin 2004
Ich danke Frau Elisabeth Mucke und Herrn André Handke für ihre Unterstützung.