Der beschwerliche Wiederaufbau des Radeberger Rathauses und sein berühmter Baumeister

von Katja Altmann

Das Ölgemälde der historischen Ansicht des Radeberger Rathauses mit den angrenzenden Häusern von 1767 – 1769 ist ein bedeutendes Objekt in der neuen Ausstellung zur Stadtgeschichte im Schloss Klippenstein.

Als Leihgabe hing es seit den 1960er Jahren im Langbeinzimmer des Heimatmuseums im Schloss. Mit Unterstützung der Landesstelle für Museumswesen konnte das Gemälde 1994 für das Museum erworben und von der Diplomrestauratorin Kati Böckelmann fachgerecht restauriert werden.

Das Ölbild entstand nach dem Wiederaufbau der Stadt und des Rathauses in den Jahren 1767 bis 1769. „Radeberg nach dem Brande 1741“ ist mit roter Schrift an zentraler Stelle vermerkt. Unter den jeweiligen abgebildeten Häusern sind die Namen der Besitzer aufgeführt. Unter dem Rathaus steht die Inschrift: „Rathaus erbauet 1767“ und darunter: „entwurf. Baud: Locke Dresden“.

Die Geschichte Radebergs im 18. Jahrhundert ist geprägt von Katastrophen und deren Überwindung durch die Bürgerschaft. Kriegerische Ereignisse, wie der Durchmarsch der Schweden im Nordischen Krieg 1706, der 1745 durch preußischen Truppen im 2. Schlesischen Krieg verursachte Schaden von 3250 Talern und die Einquartierungen im Siebenjährigen Krieg von 1757/59/60 stellten hohe finanzielle Belastungen dar. Eine Serie von Stadtbränden zerstörte zudem in den Jahren 1704, 1714, 1725 und 1741 die Stadt. Exemplarisch kommt das in der Geschichte des Rathauses zum Ausdruck.

Beim großen Stadtbrand vom 3. Juli 1714 hatte ein Blitz „in den Rathskeller unter dem Rathause“ eingeschlagen.  Das Rathaus, die Kirche, die Schule, 108 Wohnhäuser und 15 Scheunen brannten ab. Um den Wiederaufbau der Stadt zu finanzieren, wurden drei Lotterien durchgeführt und der Kurfürst gewährte eine 10jährige Steuerbefreiung.

Im Zuge der Wiedererrichtung des Rathauses wurde 1726 eine neue Rathausuhr angeschafft. Zur Fortsetzung des Baus mussten noch im gleichen Jahr durch die Bürgerschaft Schulden aufgenommen werden.

Über den Stadtbrand von 1741 und seine Folgen für das Rathaus berichtet die „Thieme-Knoblochsche Chronik“ folgendes:

„Den 18. May Abends nach 11 Uhr erweckte ein fürchterliches Feuer Geschrey die ganze Stadt aus dem ersten Schlaf. Das fast ausgebauete Rathhauß, das noch nicht ganz völlig von den vorigen unglücklichen Brande Ao 1714. hatte hergestellt werden können und worauf bereits über 4000 Thlr. war verwendet wordten … wurden ein Raub der Flammen. Mit dem Rathhause ging auch das ganze Raths Archiv verlohren ...“

In den darauf folgenden 20 Jahren gelang es nicht, das Rathaus wieder aufzubauen. Während des Siebenjährigen Krieges besetzten preußische Truppen am 10. Juli 1760 die Stadt und verlangten 20 000 Mauerziegel zum Bau von Feldbacköfen. Da die Stadt die Forderung nicht erfüllen konnte, trugen die Preußen die Mauern des notdürftig wiederhergestellten Rathauses ab. Mit den dadurch gewonnenen Ziegeln wurden jedoch nur 8 Öfen errichtet, da die Truppen abgezogen wurden.

Erst 1767 setzte sich Bürgermeister Heinrich Müller für den Neubau des Rathauses ein. Er stellte 1000 Taler zur Verfügung, Senator Walther 200 Taler und Zimmermeister Hennicke 50 Taler. Fleischer und Weißbäcker folgen mit je 50 Talern. Vom Landesherren erhielt die Stadt 300 Taler Baubegnadigungsgelder. Insgesamt kamen 4100 Taler zusammen. Der Entwurf für das neue Rathaus stammte von dem Dresdner Baumeister Samuel Locke. Im August 1767 begann der Bau. Der Radeberger Maurermeister Fischer und der Zimmermeister Hennicke - einer der großzügigen Spender - waren bis 1769 mit dem Neubau beschäftigt.

Bereits am 13. Juni 1769 konnte im „völlig ausgebaueten Rathhauße“ die erste Sitzung abgehalten werden, bei welcher man Andreas Ehregott Hempel zum Bürger verpflichtete.

1778 erhielt der Turm des Rathauses ein Dach aus verzinntem Blech. Die durch den isländischen Vulkanausbruch von 1783 ausgelösten Hunger- und Teuerungsjahre von 1784/85 verhinderten zunächst die Anschaffung einer Turmuhr. Am 18. Juni 1787 wurde „eine von Friedrich Hyeronimus Vogel in Camentz neu verfertigte  und Viertel Stunden schlagende mit 2. Zifferblättern versehene Uhr, auf hiesigen Rathhaußthurm aufgesetzt.“

Damit war der Wiederaufbau des Rathauses nach den Plänen des Baumeisters Samuel Locke nach über 20 Jahren – und mehr als 40 Jahre nach dem Stadtbrand – beendet.

Wer war dieser  „Baudirektor Locke“ aus Dresden, von dem der Entwurf des neuen Radeberger Rathauses im Rokokostil stammt?

„Die Sächsische Biografie - das personengeschichtliche Lexikon zur Geschichte Sachsens“ des Instituts für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V.  bietet Informationen zu über 9.000 bedeutenden Personen vom Mittelalter bis zum heutigen Freistaat Sachsen.

Gibt man den Namen „Locke“ in die Suchmaske ein, erscheint:

Locke, Samuel,    * 20.08.1710 Eisenberg b. Moritzburg, † 04.10.1793 Dresden, Beruf:

Baumeister.

Weitere Informationen enthält diese Datenbank zu Samuel Locke leider nicht.

Im Zuge der Vorbereitung der neuen Dauerausstellung recherchierten wir im Jahr 2005 die biografischen Daten von Samuel Locke. So können heute die Museumsbesucher folgendes erfahren: „Der Entwurf für das neue Rathaus stammte von dem Dresdner Baumeister Samuel Locke. Der Schüler von Zacharias Longuelune und Mitarbeiter von Johann Christoph Knöffel plante für Dresden und Umgebung zahlreiche Bauten und bekleidete über 40 Jahre den Posten des sächsischen Akzise-Baudirektors.“

Umfängliche Informationen über den Lebensweg und die Bedeutung von Samuel Locke enthält ein Aufsatz aus dem Buch „Baumeister des Barock und Rokoko in Sachsen“ von Hermann Heckmann aus welchem im Nachfolgenden auszugsweise zitiert wird.

Heckmann schreibt, dass der Sohn des Röhrmeisters Christoph Locke nach der Maurerlehre nach Dresden ging, wo er als Schüler von Zacharias Longuelune (Maler und Baumeister,  1669-1748) erstklassig zeichnen lernte.

Er wechselte in das Büro von Johann Christoph Knöffel (1686 - 1752) und avancierte dort bald zu seinem wichtigsten Mitarbeiter.

Seine Arbeit bestand einerseits in der Anfertigung von Entwurfszeichnungen, beispielsweise konnte ihm unter vielen anderen die Zeichnung von Schloss Hubertusburg nachgewiesen werden. Außerdem fungierte er als Bauleiter.  Nachdem er 29jährig das Dresdner Bürgerrecht als Maurermeister erworben hatte, widmete er sich neben seiner Tätigkeit für Knöffel auch eigenen Aufträgen und verwirklichte etliche Bauprojekte, zumeist Bürgerhäuser.

Samuel Locke übernahm 1752 den nach dem Tod Knöffels vakant gewordenen Posten des Akzise-Baudirektors und übte dieses Amt über vierzig Jahre bis zu seinem Tode aus. Die Akzise-Baudirektion, 1711 gegründet, regelte die Verwendung von Bauzuschüssen für kommunale und private Bauten. Baugesuche aus dem ganzen Land gingen bei ihr ein.

Die Institution gilt als stilbildend, da ihre Direktoren (Joh. Chr. Naumann 1711-1742, C.F. Pöppelmann 1742-47, Joh. Chr. Knöffel 1747-52) auch mit eigenen Entwürfen in das Baugeschehen der Residenzstadt eingriffen.

In seiner Eigenschaft als Baudirektor prüfte Locke beispielsweise die statische Festigkeit der entstehenden Frauenkirchenkuppel. Samuel Locke befasste sich auch theoretisch mit baulichen Fragen und veröffentlichte 1783 ein Werk über Säulenanordnungen. Noch 1791 war er nachweislich berufstätig.

Abschließend zitiert Heckmann den Sächsischen Ingenieur- und Architektenverein mit einer kunsthistorischen Würdigung Lockes aus dem Jahr 1878: „Lockes Verdienst um die Architektur besteht darin, dass er die hohe Qualität der sächsischen Wohnhausfassade fortsetzt, sie mit den Dekorationsformen des Rokoko weiterentwickelt  und in die nächste Generation weiter trägt“.

Fritz Löffler würdigt Samuel Locke in „Das alte Dresden“ als Erbauer von 104 Bürgerhäusern in Dresden, darunter das vornehme „Ho^tel de Pologne“ von 1753.

Seit Juni 2009 ist der Baumeister Samuel Gotthelf Locke in der Internet Enzyklopädie Wikipedia zu finden. Hier ist auch zu erfahren, dass Lockes letzte Ruhestätte der Innere Neustädter Friedhof in Dresden ist. Neben weiteren biografischen Daten werden Lockes wichtigsten Bauten aufgeführt, das Rathaus von Radeberg fehlt jedoch.

Mit dem Neubau des Radeberger Rathauses schuf Samuel Locke ein modernes Gebäude im Stil des Dresdner Bürgerrokoko. Mit seiner harmonischen Fassade ist es - trotz Um- und Erweiterungsbauten - in Stil und Proportion noch heute der Leitbau des Radeberger Marktplatzes.

 

Quellen:

 Thieme-Knoblochsche Chronik, Manuskript, Museum Schloss Klippenstein, Radeberg

Kleine Chronik von Radeberg, Mörtzsch, Otto, Radeberg 1912

Baumeister des Barock und Rokoko in Sachsen, Hermann Heckmann, Berlin Verlag für Bauwesen 1996, ISBN 3345-005948

Das alte Dresden, Fritz Löffler, E.A.Seemann Verlag, Leipzig 1982

Die Sächsische Biografie - das personengeschichtliche Lexikon zur Geschichte Sachsens“ Datenbank des Instituts für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V.

Internet Enzyklopädie Wikipedia