Foto in Vergrößerungsansicht öffnen: Eine Buchseite mit dem oval gefassten Porträt des Dichters Langbein, gezeichnet von Johann Friedrich Bolt um 1805.
August Friedrich Ernst Langbein Museum Schloss Klippenstein

Das Großvaterlied

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da wusste man nichts von Mamsell und Madam.
Die züchtige Jungfrau, das häusliche Weib,
Sie waren ächt deutsch noch an Seel’ und an Leib.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
da herrschte noch sittig verschleierte Scham.
Man trug sich fein ehrbar, und fand es nicht schön,
In griechischer Nacktheit auf Straßen zu gehn.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da war ihr die Wirthschaft kein widriger Kram.
Sie las nicht Romane, sie ging vor den herd,
Und mehr war ihr Kind als ein Schosshund ihr werth.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da war es ein Biedermann, den sie bekam.
Ein Handschlag zu jener hochrühmlichen Zeit
Galt mehr als im heutigen Leben ein Eid.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da ruhte die Selbstsucht, gefesselt und zahm;
Sie war nicht, entbrochen den Banden der Scheu,
Wie jetzo ein alles verschlingender Leu.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da war noch die Thatkraft der Männer nicht lahm.
Der weibliche Zierling, der feige Fantast,
Ward selbst von den Frauen verhöhnt und gehaßt.

Als der Großvater die Großmutter nahm,
Da rief noch der Vaterlandsfreund nicht voll Gram:
O, gäbe den Deutschen ein holdes Geschick
Die glücklichen Großvaterzeiten zurück!

In: A.F.E. Langbein’s Sämmtliche Schriften, Stuttgart 1841

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